Geldanlage: Entnahmestrategie [im Ruhestand / als Privatier]
Wie Privatiers clever von ihrem Vermögen leben
Wer von seinem Vermögen leben möchte, braucht mehr als nur Kapital – er braucht eine kluge Entnahmestrategie. Ob klassischer Privatier, Frugalist oder vermögender Ruheständler: Die Art und Weise, wie Kapital entnommen wird, entscheidet darüber, ob das Geld lebenslang reicht – oder vorzeitig aufgebraucht ist.
In diesem Artikel zeigen wir die wichtigsten Entnahmeoptionen, deren Stärken und Schwächen, und wie Anlageklassen wie Festgeld, Dividendenaktien oder Immobilien dabei mitspielen.

Was ist eine Entnahmestrategie?
Eine Entnahmestrategie definiert, wie, wann und in welcher Höhe Kapital aus dem Vermögen entnommen wird, um den Lebensunterhalt zu bestreiten – ohne unnötige Risiken einzugehen oder die Substanz zu gefährden. Sie ist das Gegenstück zur Ansparphase und ebenso entscheidend für finanzielle Freiheit.
Die wichtigsten Entnahmestrategien im Überblick
Prozentuale Entnahme (z. B. 4%-Regel)
Diese Strategie basiert auf dem Prinzip, jedes Jahr einen festen Prozentsatz des Startvermögens zu entnehmen – meist zwischen 3 und 4 %. Die bekannteste Variante ist die sogenannte 4%-Regel, abgeleitet aus der Trinity-Studie, die besagt, dass bei einem gut diversifizierten Portfolio die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass das Kapital 30 Jahre oder länger reicht.
Vorteile:
- Sehr einfach und leicht planbar
- Kann mit Inflationsanpassung kombiniert werden
- Funktioniert gut bei langfristig wachstumsorientierten Portfolios
Nachteile:
- In Jahren mit Börsencrashs kann der Kapitalverzehr gefährlich schnell gehen
- Keine Rücksicht auf individuelle Lebensphasen oder schwankenden Bedarf
- Die „4 %“ sind keine Garantie, sondern historischer Mittelwert
Beispiel: 1.000.000 € Startkapital → 40.000 € Entnahme im ersten Jahr, jährlich inflationsbereinigt anpassen.
Dynamische Entnahme
Hier passt sich die Entnahme flexibel an das aktuelle Marktumfeld und die Depotentwicklung an. Statt fixer Beträge wird etwa ein fester Prozentsatz vom aktuellen Depotwert oder anhand eines Regelwerks entnommen (z. B. in guten Jahren mehr, in schlechten weniger).
Vorteile:
- Sehr flexibel und realitätsnah
- Vermeidet vorzeitige Kapitalvernichtung in schwachen Marktphasen
- Passt sich dem tatsächlichen Vermögensstand an
Nachteile:
- Einkommen kann stark schwanken
- Höherer Planungs- und Überwachungsaufwand
- Emotionale Disziplin nötig („dieses Jahr weniger Geld“)
Tipp: Dynamische Modelle eignen sich besonders für Anleger mit Aktienlastigkeit und langem Anlagehorizont.
Nur Erträge entnehmen (Zins-/Dividendenstrategie)
Diese Strategie lebt davon, dass nur laufende Erträge – wie Zinsen, Dividenden oder Mieteinnahmen – konsumiert werden, während das Kapital unangetastet bleibt. Gerade Dividenden-Investoren und Immobilienbesitzer verfolgen diesen Ansatz gerne.
Vorteile:
- Kapital bleibt erhalten, kein Substanzverzehr
- Psychologisch angenehm: „Leben vom Einkommen“
- Gut kalkulierbar bei stabilen Erträgen
Nachteile:
- Erträge reichen oft nicht für den gewünschten Lebensstil
- Bei Niedrigzinsen (oder schwankenden Dividenden) unzuverlässig
- Gefahr von Klumpenrisiken (z. B. nur auf Dividendenaktien)
Beispiel: 1.000.000 € in Dividendenaktien mit 3,5 % Ausschüttung → 35.000 € jährlich ohne Kapitalverkauf
Bucket-Strategie (zeitlich gestaffelte Töpfe)
Bei dieser Methode wird das Vermögen in verschiedene „Eimer“ (Buckets) aufgeteilt – je nach Zeithorizont und Risiko. Kurzfristiger Bedarf kommt aus Festgeld oder Tagesgeld, mittelfristiger aus Anleihen, langfristiges Wachstum aus Aktien. Kapital wird regelmäßig von den hinteren Töpfen in die vorderen „nachgefüllt“.
Vorteile:
- Sehr gute Planbarkeit
- Schützt vor Verkauf von Aktien in der Krise (Liquiditätsreserve)
- Kann verschiedene Anlageklassen optimal kombinieren
Nachteile:
- Komplexer in der Verwaltung
- Regelmäßiges Rebalancing und Nachjustieren notwendig
- Rechnet sich am besten ab einem mittleren bis größeren Vermögen
Beispielaufteilung:
- Topf 1 (0–3 Jahre): 90.000 € in Festgeld
- Topf 2 (3–10 Jahre): 300.000 € in Anleihefonds
- Topf 3 (10+ Jahre): 610.000 € in Aktien-ETFs
Entnahmepläne und Rentenprodukte
Hier handelt es sich um „mechanisierte“ Strategien: Du lässt dir monatlich einen festen Betrag aus einem Fonds-Entnahmeplan oder einer Versicherung (Sofortrente, Fondspolice) auszahlen. Die Bank oder der Versicherer übernimmt das Rechnen – du bekommst einen regelmäßigen Cashflow.
Vorteile:
- Planungssicherheit durch feste Auszahlungen
- Einfach umzusetzen
- Kein eigener Verwaltungsaufwand
Nachteile:
- Geringe Flexibilität bei Änderungen
- Teils hohe Kosten oder Garantiezins-Nachteile
- Wenig Einfluss auf die Anlagestruktur
Tipp: Solche Produkte können gut als Basis dienen – kombiniert mit flexibleren Strategien für Zusatzeinnahmen.
Der Einfluss der Geldanlage auf die Strategie
Die Entnahmestrategie ist untrennbar mit der Vermögensstruktur verbunden. Ein paar Beispiele:
Anlageform | Einfluss auf Entnahme |
Aktien/ETFs | Hohe Schwankungen → flexible Entnahmen sinnvoll |
Dividendenwerte | Gut für Ertragsentnahme ohne Substanzverlust |
Festgeld | Stabilität für Kurzfristbedarf |
Immobilien | Mieteinnahmen nützlich, aber geringe Liquidität |
Reinvestition: Der stille Verbündete
Auch Reinvestitionen können Teil einer Entnahmestrategie sein. Warum?
- Ertragsüberschüsse in guten Jahren können als Puffer für schlechtere Jahre wieder angelegt werden.
- Rebalancing über Reinvestition hilft, die strategische Vermögensallokation zu halten.
- Steueroptimierung durch Aufschub von Veräußerungen oder kluge Nutzung von Freibeträgen.
Praxisbeispiel: 3-Töpfe-Modell mit Festgeld
Ein Privatier mit 1 Mio. € Vermögen könnte so vorgehen:
- Topf 1 (0–3 Jahre): 90.000 € in Festgeld – deckt Grundbedarf
- Topf 2 (3–10 Jahre): 300.000 € in Anleihen/Fonds – mittelfristige Entnahmen
- Topf 3 (10+ Jahre): 610.000 € in Aktien-ETFs – für langfristiges Wachstum
Diese Struktur erlaubt eine ruhige Entnahme, auch wenn die Märkte mal schwächeln.
Fazit: Entnahme braucht Strategie, keine Panik
Die Frage ist nicht nur wie viel du entnimmst – sondern wie und wann. Eine gut gewählte Entnahmestrategie:
- sichert deinen Lebensstandard
- schützt vor Markt- und Langlebigkeitsrisiken
- passt sich deiner Vermögensstruktur und Risikoneigung an
Und ganz wichtig: Sie ist kein starres Konzept, sondern darf – und sollte – sich mit dem Leben verändern.